Seit vielen Tagen geht der Hambacher Wald nun durch die Medien. Einige Hintergründe und meine persönliche Sicht der Dinge:

Der 12.000 Jahre alte Hambacher Wald  in der Nähe von Kerpen ist schon zu großen Teilen gerodet. 500 Hektar von ehemals über 4000 stehen noch. Der Grund für die Rodung ist der Braunkohleabbau durch den Energiekonzern RWE. Um die Kohle aus der Erde fördern zu können werden zuvor Dörfer abgerissen, Menschen umgesiedelt und Natur zerstört. Das Abbaufeld Hambach hat insgesamt eine Größe von 85 km².

Seit mittlerweile über sechs Jahren besetzen Aktivisten in selbstgebauten Baumhäusern den Wald.

Beechtown

Am 06.09 fiel der erste „Baum“ (ein Haselnussstrauch). Das erste Opfer der neuen Rodungssaison. Braunkohlekritische Initiativen riefen daraufhin den Tag X aus, der zur bundesweiten Mobilisierung der Bevölkerung gegen die Rodung aufruft. Offiziell darf erst ab dem 30.09 gerodet werden, da zuvor viele Vögel in den Bäumen nisten und brüten.

Der Grund, weshalb den halben Monat hindurch nun doch schon Räumfahrzeuge durch den Wald rollen ist die Brandschutzverordnung. Da es sich bei den Baumhäusern um „bauliche Anlagen“ handle müsse auch die Brandschutzverordnung erfüllt sein. Da es aber an Löschzufahrten und Rettungswegen, an Feuertreppen und Notgeländern mangle wies das Landesbauministerium NRW am 13.09 den Kreis Düren und die Stadt Kerpen an, die Baumhäuser im Hambacher Forst zu räumen. Noch 2014 waren die Häuser vom Bauministerium nicht als „bauliche Anlagen“ eingestuft worden.

Muss erwähnt werden, dass es weder in den sechs Jahren zuvor, noch in diesem extrem heißen und trockenen Sommer zu einem Brand kam? Und sich auch niemand seitens der Regierung um Brandschutz scherte?

Von da an, fing die Polizei an, die Baumhäuser nach und nach zu räumen. Es gab Sitzblockaden, Ausschreitungen, Festnahmen. Ich war zu dieser Zeit selber nicht da und kann daher kaum berichten. Vieles weiß ich auch nur aus den Medien und deren Berichterstattung war zum Teil haarsträubend. Unsere lokale Zeitung die Rheinische Post sprach von „ausgeklügelten Tunnelsystemen (…) die an die unterirdischen Anlagen während des Vietnamkrieges erinnerten“.

Solche Meldungen verbreiten Angst und Schrecken und erschaffen die Illusion von Kriegsschauplätzen von denen „Zivilisten“ sich fern halten sollten. Ich beschloss mir selbst zumindest aus sicherer Entfernung ein Bild zu machen und plante letzten Donnerstag zur Mahnwache nach Buir zu fahren.

Eigentlich ist der ganze Wald als Gefahrengebiet deklariert und der Aufenthalt dort verboten, weshalb ich nicht davon ausging in den Wald hinein zu gelangen.

Doch Mittwochnachmittag kam es zum einem schrecklichen Unfall. Der Journalist und Blogger Steffen Meyn verunglückte tödlich. In der Pressemitteilung des Blogs Hambacherforst.org heißt es: „Er stürzte beim Versuch, eine laufende Räumungsaktion durch das Sondereinsatzkommando der Polizei (SEK) zu dokumentieren, von einer Hängebrücke aus ca. 20 m Höhe. Rettungskräfte am Boden versuchten noch, ihn zu reanimieren.“

Die Rodungsarbeiten wurden zunächst ausgesetzt.

Mahnwache Buir an der B264

Ich überlegte auch meinen geplanten Besuch abzusagen fuhr aber doch mit einer Freundin zunächst zur Mahnwache nach Buir. Wir gaben Lebensmittel für die Aktivisten ab und unterhielten uns mit den Verantwortlichen. Die Stimmung war ruhig, aber geschäftigt. Es wurde gegessen, organisiert und geplant, wie neue Lebensmittel und Menschen mit Ausrüstung in den Wald gelangen könnten.

Die Mahnwache mit dem Forst im Hintergrund

Die Aussagen, ob der Wald problemlos betretbar war oder nicht schwankten, aber schließlich trafen wir ein älteres Ehepaar, welches uns erzählte sie seien grade im Wald gewesen und wir bräuchten nur unsere Personalien anzugeben.

Von außen war kaum etwas zu erkennen und wir sahen nur vereinzelt Leute über das Feld laufen. In der Richtung die sie anschlugen lag das Wiesencamp, welches uns als erster Anlaufpunkt empfohlen worden war.

Benötigtes

Nach drei Schritten wurde uns von der Polizei mitgeteilt, „übers Feld gehen wir aber nicht“. Nachdem wir unsere Taschen nach außen gedreht hatten durften wir der Zufahrtsstraße weiter zum Waldrand folgen. Am Waldrand standen wieder Polizisten, die auf unseren fragenden Blick nur antworteten:“ Wir kontrollieren euch nicht ihr könnt ruhig durchgehen“

Wir verließen die breite Forststraße und orientierten uns am Waldrand entlang zum Wiesencamp.

Wiesencamp

Von dort aus ging es weiter in Richtung des Baumhausdorfes Beechtown. In eben jenem war am Vortag Steffen Meyn verunglückt.

Der Waldabschnitt am Rande des Braunkohletagebaus war immernoch mit Polizisten und Presse gefüllt, aber auch mit einem großen Kreis trauernder Menschen.

Trauerzermonie

Wir zollten dem verstorbenen Journalisten still unseren Respekt.

Dem Kreis der Abschiednehmenden traten wir nicht bei, da dieser aus Menschen bestand die ihn gekannt und geliebt hatten, während wir erst durch den Unfall von ihm erfahren hatten.

Nachdem wir noch zwei einzelne Baumhäuser gesehen hatten, traten wir tief berührt den Rückweg an. Diesmal über die von RWE bereits geschlagenen breiten Schneisen.

Diese wurden angelegt um mit den Räumfahrzeugen überhaupt den Wald befahren zu können. Nach über sechs Jahren friedlicher Besetzung stehen die Baumhausaktivistin zur Zeit unter Dauerbelastung. „Alle Menschen in den Besetzungen standen seit mehreren Wochen unter Dauerstress durch eine Räumung, die in einem wahnwitzigen Tempo durchgeprügelt wurde. Ständiger Lärm durch Räumungsarbeiten, Tag und Nacht Flutlichter und Blaulicht, massive Polizeipräsenz am Boden, Beschallung mit Hundegebell und Aufnahmen von Kettensägengeräuschen, sowie die Nachrichten über die immer wieder lebensbedrohliche Vorgehensweise der Einsatzkräfte, hinterlassen körperliche und seelische Spuren bei allen Beteiligten. Schlaflosigkeit, Stress und Überreizung sind Gift für die Aufmerksamkeit und Ruhe, die für sicheres Baumklettern unerlässlich sind.“ so steht es im „Hambi bleibt“ Blog.

Ebenfalls vorbei mit der Ruhe im Wald war es am Sonntag. Seit einigen Jahren findet einmal im Monat ein Waldspaziergang durch den Hambacher Wald statt. Seit Anfang September ist dieser wöchentlich Sonntags um 11:30. Kommt vorbei, zeigt Präsenz, unterstützt die Aktivisten und genießt den Wald.

Vor zwei Wochen kamen circa 6000 Menschen zusammen. Dem von Michael Zobel geleitete Waldspaziergang wurde es allerdings untersagt den Wald zu betreten, weshalb es nur am Waldrand entlang ging. Vereinzelt schafften es Menschen, zum Teil sogar in großen Gruppen, doch in den Wald zu gelangen.

Auch vergangene Woche war der Waldspaziergang untersagt worden, es sollte jedoch eine Kundgebung am Kieswerk Collas im Wald stattfinden. Gegen 11:30 trafen wir (eine circa 15köpfige Gruppe verschiedenster Menschen, viele vom KlimaTisch Erkelenz) an der Mahnwache in Buir ein.

Der Zufahrtsweg in den Wald zum Treffpunkt war jedoch von der Polizei versperrt, weshalb die meisten Menschen über das Feld gingen. Die Ansage der Polizei lautete, sie würden den Weg freigeben, sobald alle Menschen das Feld geräumt hätten.

Sagen wir so: Der Strom der Menschen auf dem Feld riss nicht ab. Auf diesem Weg gelangten auch wir ungehindert in den Wald.

Die Menge an Menschen im Wald war enorm. Auf den Zufahrtswegen wurden unter lautem Jubel und „Hambi bleibt“ Sprechchören Barrikaden gebaut.

Barrikaden

Alle Aktivisten die ich getroffen habe waren unglaublich freundlich und dankbar für unsere Präsenz und Unterstützung im Wald.

Obwohl es den ganzen Tag regnete waren viele tausend Menschen da. Und auch obwohl wie schon in der Woche zuvor die Sbahnen aus Köln und Aachen die Anreise nicht erleichterten. Diese Woche fiel die 11 Uhr Bahn ganz aus, während letzte Woche nur Kurzzüge fuhren, die zum Teil gar nicht mehr in Buir am Bahnhof hielten, sondern einfach durchfuhren. Ein Schelm wer Böses denkt.

In der Mitte der Bagger, rechts der Forst

Wir haben nur ganz zu Beginn gesehen wie eine Person von der Polizei ergriffen wurde, ansonsten bestand der Polizeieinsatz zumeist aus laufenden Wagen, in denen die Heizung die Beamten wärmte.

Nachdem wir uns die noch bestehenden Baumhausdörfer sowie die kürzlich gerodeten angesehen, unsere mitgebrachten Materialen und Lebensmittel abgeben und mehrere nasskalte Stunden im Wald verbracht hatten, machten wir uns am Nachmittag wieder auf den Rückweg.

Der Platz an dem „Oaktown“ einmal stand

Mein Respekt und großer Dank gilt allen Baumhausaktivisten. Ohne euch wäre dieser Widerstand nicht möglich, haltet durch!

Doch der Kohleausstieg wird nicht durch ein paar einzelne Menschen bewirkt. Hier eine kurze Liste, der Dinge, die jeder Einzelne tun kann:

Wechselt euren Stromanbieter. Weg von RWE, hin zu Naturstrom aus erneuerbaren Energien.

Unterschreibt Petitionen für Hambi. Zum Beispiel hier: https://www.greenpeace.de/retten-statt-roden

Und wann immer ihr Zeit habt, kommt in den Wald und seid einfach da. Es geht nicht darum sich an Bäumen festzuketten oder sich mit der Polizei anzulegen.

Unterstützt die Aktivisten mit Lebensmitteln. Spaziert durch den Wald und bringt eure Freunde und Familien mit. Ich habe am Sonntag unzählige, zum Teil Kleinkinder gesehen, die durch den Wald liefen.

Ich habe mich zu keiner Zeit bedroht oder in Gefahr gefühlt. Je mehr ganz normale Menschen im Wald sind, umso geringer ist auch das Risiko von Ausschreitungen.

Ein ganz wichtiger Termin ist der 6. Oktober. An diesem Tag rufen alle Naturschutzorganisationen deutschlandweit zum Protest auf. Kommt nach Buir und protestiert unter dem Motto: Kohle stoppen! Wald retten!

Liveticker zur aktuellen Lage bei: https://hambacherforst.org/

Lasst uns gemeinsam die Welt retten!

Grüne Grüße,

Eure Lara

Hambacher Wald – Retten statt Roden

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